29.06.2018

Frauen • Medien • Rollenbilder

Personen | Allgemeine Medienthemen

ARD-Filmintendantin Prof. Dr. Karola Wille betont die besondere Verantwortung der Medienschaffenden bei der Vermittlung zeitgemäßer Rollenbilder beim Thüringer Mediengespräch der TLM am 28. Juni in Erfurt

Medienschaffende aus allen Medienbereichen, Vertreter/innen aus Wissenschaft, Politik und Gewerkschaften diskutierten auf Einladung der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM), des Landesfrauenrates Thüringen e. V. und der Beauftragen für Gleichstellung von Frau und Mann am 28. Juni beim Thüringer Mediengespräch der TLM über „Frauen • Medien • Rollenbilder“. Mehr als 100 Interessierte waren der Einladung in das Augustinerkloster zu Erfurt gefolgt.

Die TLM machte nach 2003, 2013 bereits zum dritten Mal das Thema Frauen in den Medien zum Thema einer TLM-Veranstaltung. Jochen Fasco, Direktor der TLM: „Rollenbilder werden bereits in früher Kindheit zementiert. Medien haben daran auch einen Anteil. Wir erleben gerade im Internet sogar Rückentwicklungen. All dies gilt es zu verdeutlichen, zu benennen und Gegenstrategien zu entwickeln. Dabei ist ein kritischer Umgang, d. h. Medienkompetenz, ein wichtiges Mittel. Gerade hier kann die TLM ansetzen.“

Dr. Christine Linke, von der Universität Rostock stellte Ergebnisse ihrer 2017 veröffentlichten Studie „Audiovisuelle Diversität – Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland“ vor. Zentral ist dabei die Feststellung, dass Frauen auf dem Bildschirm noch immer deutlich unterrepäsentiert sind. Männer erklären die Welt und das über alle Genre hinweg, auch in den Kindermedien. Einzige Ausnahme, die das Verhältnis der Geschlechter dem der Gesellschaft abbildet, sind Telenovelas.

Im ersten Podiumsgespräch unter Leitung vom Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, Johannes M. Fischer, wies Prof. Dr. Karola Wille, ARD-Filmintendantin und Intendantin des MDR, auf die wichtige Rolle der Medienschaffenden und insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hin, sie tragen eine besondere Verantwortung zur Vermittlung eines zeitgemäßen Bildes der Wirklichkeit. „Denn das sind die Bilder, die unsere Gesellschaft prägen und die letztlich zu den Rollenbildern in unseren Köpfen beitragen.“

Die Sicht der privaten Anbieter stellte Annette Kümmel, Senior Vice President Governmental Relations & Regulatory Affairs ProSiebenSat.1 Media SE, in der Diskussion dar: „Als private TV-Veranstalter sind wir auf Reichweite und Akzeptanz angewiesen und das bedeutet, wir müssen den Zuschauergeschmack treffen. Ob dabei die Art der Darstellung von Frauen und Männern eine wesentliche Rolle spielt, ist zu hinterfragen – aber vor allem müssen wir es einfach ausprobieren.“

Die Vorsitzende des Bundesgendernetzwerkes VRFF – Die Mediengewerkschaft und stellvertretende DBB Vorsitzende Astrid Hollmann betonte: „Medien wurden über Jahrzehnte, im Besonderen auf der Führungsebene, von Männern gestaltet. Die damit verbundenen stereotypen Kommunikationsstrukturen und -formen finden sich auch heute noch in der Personalauswahl, der Informationsauswahl und in den Drehbüchern fiktionaler Inhalte wieder.“ Für sie ist eine Verbesserung ein Wandel in der Unternehmenskultur nötig.

In einem zweiten Podium diskutierten Experten/innen über die Geschlechterdarstellung in Kinder- und Jugendmedien. Dr. Astrid Plenk, Programmgeschäftsführerin des KiKA, sieht die Geschlechterverteilung in den Kindermedien nicht als Problem: „Starke Kinderprogramme zeigen starke Charaktere! Kinder orientieren sich an Figuren, die glaubwürdig sind und ihnen emotional nahe kommen. Dabei ist es erst mal nicht maßgeblich, ob ihre Helden weiblich oder männlich sind.“ Trotzdem habe der KiKA das Thema im Blick und wählt sehr bewusst Inhalte, Charaktere und Sprecher/innen möglichst gleichverteilt zwischen den Geschlechtern aus.

Auch Prof. Dr. Martin Geisler von der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena sieht die Geschlechterdarstellung in Computerspielen als Spiegelbild des Real-Life. „Frauen in digitalen Spielen waren lange Zeit hübsch und doof, hässlich und gefährlich oder sexy und brutal. Aber nicht nur die berühmte Lara Croft hat sich stark gewandelt. Weibliche Figuren in Games sind heute narrativ sehr vielfältig, glaubwürdig inszeniert und charakterstark dargestellt. Allerdings zählt nicht nur, was die Spielherstellenden im Spiel implementieren, sondern mindestens ebenso bedeutsam ist, was die Spielenden mit ihren Avataren machen und wie sie Weiblichkeit gestalten. Auch hier ist der Fassettenreichtum groß.“

Moderatorin Ilona Helena Eisner, stellvertretende Vorsitzende der TLM-Versammlung und Geschäftsführerin des Landesfrauenrates Thüringen e. V., zog als Bilanz der Veranstaltung: „So lange Lebensrealität in ihren Facetten nicht in den Medien abgebildet wird, fehlen große Teile der Gesellschaft und schaffen nicht den Sprung in alle prägenden Bereiche, wie zum Beispiel Politik und Justiz. Es gibt also noch viel zu tun.“

Hinweis:
Die Veranstaltung kann demnächst als Podcast unter http://podcast.tlm.de/ nachgehört werden.